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Branchen-News | 23. Mai 2014
Ein Jahr Leistungsschutzrecht: eine Bilanz

Am 14. Mai 2013 wurde das Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es trat am 1. August 2013 in Kraft. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit zwischen dessen Befürwortern und Gegnern. Tatsächlich sind die Auswirkungen auch knapp ein Jahr nach Inkrafttreten überschaubar.

Nach dem Leistungsschutzrecht haben Presseverlage das ausschließliche Recht an der Veröffentlichung ihrer Presseerzeugnisse im Internet. Suchmaschinenanbieter müssen demnach Lizenzgebühren an die Verlage entrichten, wenn sie deren Artikel nutzen möchten. Ausgenommen hiervon sind lediglich »einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte«, also die bekannten Snippets, die bei den Suchresultaten regelmäßig angezeigt werden. Ursprünglich wollten die Verlage sogar erreichen, dass selbst diese ohne Lizenz nicht mehr verwendet werden dürfen.

 

Verlage: »Google bereichert sich auf unsere Kosten«

Die Befürworter des Leistungsschutzrechts waren vor allem die großen Verlage in Deutschland, allen voran Axel Springer (»Bild« und »Welt«), Burda (»Focus«), FAZ und Süddeutsche. Sie beklagten sich, dass Suchmaschinen Artikel aus Zeitungen sammelten, veröffentlichten und durch eingeblendete Werbung Geld damit verdienten, ohne dass die Verlage hiervon unmittelbar profitierten.

Gemeint war natürlich vor allem ein Suchmaschinenbetreiber: Google. Das amerikanische Unternehmen bietet mit »Google News« einen Service, bei dem den Benutzern aktuelle Artikelüberschriften aus verschiedenen deutschen und internationalen Zeitungen zusammen mit einem kurzen Anriss angezeigt werden. Ebenso ist es möglich, die Artikel nach bestimmten Begriffen zu durchsuchen. Zwar werden die Benutzer beim Klick auf einen Artikel direkt auf die Website der jeweiligen Zeitung weitergeleitet, die Verlage argumentierten aber, dass vielen Lesern bereits die Vorschau genüge und sie daher den eigentlichen Artikel nie aufriefen. Den Zeitungen gingen hierdurch Einnahmen verloren, wohingegen Google durch Werbung auf Kosten der Verlage und Journalisten verdiene.

 

Gegner wollen Abschaffung des Leistungsschutzrechts erreichen

Nach Bekanntwerden der Planungen für ein Leistungsschutzrecht formierte sich schnell ein breites Bündnis aus Gegnern. Nach deren Ansicht ist das Leistungsschutzrecht überhaupt nicht notwendig, da die Verlage durch das normale Urheberrecht bereits hinreichend geschützt seien. Zudem sei es bereits heute möglich, durch die sogenannte robots.txt-Datei Google und anderen Suchmaschinen zu verbieten, die eigene Website zu indexieren oder zu verlinken. Selbst das Ausblenden der Snippets sei hiermit jederzeit möglich. Gesetze dürften außerdem nicht aus rein ökonomischer Sicht zugunsten einzelner Marktteilnehmer erlassen werden. Zudem werde durch das Gesetz die Position der Autoren geschwächt, da nur die Verlagshäuser entscheiden könnten, ob ein Artikel auf Suchmaschinen gelistet werde oder nicht. Die Gegner fordern daher nach wie vor eine Abschaffung des Gesetzes.

 

Bis heute keine Zahlungen von Google

Knapp ein Jahr nach Einführung des Leistungsschutzrechts sind dessen Auswirkungen noch gering. Das liegt zum einen daran, dass einige Anbieter – wie beispielsweise der Verlag »Heinz Heise« – sofort nach Verabschiedung angekündigt haben, auf etwaige Rechte aus dem Gesetz zu verzichten. Zum anderen rang Google den am Leistungsschutzrecht noch festhaltenden Verlagen den Abschluss einer Lizenzvereinbarung ab. Danach ist es dem Suchmaschinenbetreiber weiterhin möglich im Rahmen von »Google News« Snippets aus den einzelnen Artikeln kostenlos anzuzeigen. Zwar kündigten die Verlage an, man werde die Vereinbarung gegebenenfalls widerrufen, sobald die Verwertungsfragen aus dem Leistungsschutzrecht geklärt seien. Tatsächlich dürften aber die wenigsten hiervon Gebrauch machen, da ein Aus bei Google einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten kann. FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann begründete daher den Abschluss der Vereinbarung auch damit, dass andernfalls »vor dem Hintergrund der Marktstärke von Google die wirtschaftlichen Risiken für die FAZ nicht überschaubar gewesen« wären.

Und auch die VG Wort wird weitestgehend leer ausgehen. Die Verwertungsgesellschaft hatte sich immer wieder selbst ins Spiel gebracht und angeboten für die Verlage die Abgaben aus dem Gesetz einzutreiben. Tatsächlich haben aber die am Leistungsschutzrecht festhaltenden Verlage die VG Media als Partner auserkoren. Die Gesellschaft kümmert sich bereits heute um die Gelder, die aus dem Leistungsschutzrecht für TV- und Hörfunksender fließen. Im April 2014 gaben zwölf Verlage, darunter Axel Springer, Burda, Funke und Madsack, bekannt, dass sie sich an der VG Media mit insgesamt 50 Prozent beteiligen werden. Sie soll künftig auch ihre Rechte aus dem Leistungsschutzrecht wahrnehmen.

 

Alte Kontrahenten – neue Fehde

Nachdem die Verlage aber offenbar erkannt haben, dass sie mit dem Leistungsschutzrecht allein gegen Google nicht ankommen, hat sich der Kampf zwischen den Kontrahenten auf eine neue Ebene verlagert. 400 europäische Verlage und Medienunternehmen bereiten mittlerweile eine Kartellklage gegen Google vor. Im April schrieb Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, hierzu in einem Beitrag in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, dass sein Verlag Angst vor Google habe. Der Suchmaschinenanbieter kontrolliere den gesamten Werbemarkt im Internet und bevorzuge eigene Dienste gegenüber denen von Mitbewerbern. Dies sei kartellrechtswidrig und müsse geahndet werden. Der frühere Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) pflichtete ihm bei. Sein Beitrag im Handelsblatt gipfelte in der Aufforderung: »Zerschlagt Google!«