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Branchen-News | 06. Juni 2015
Drei auf einen Streich: Warum »Focus«, »Stern« und »Spiegel« ihre Chefredakteure austauschten

Am 20. Mai teilte der »Spiegel-Verlag« mit, das Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros und Mitglied der Chefredaktion des »Spiegel«, in »gegenseitigem Einvernehmen« das Unternehmen verlässt. Damit verschwand das letzte Überbleibsel der kurzen Ära von Chefredakteur Wolfgang Büchner. Dieser musste zum im Dezember 2014 den Chefsessel bei »Spiegel« und »Spiegel Online« räumen. Aber er ist nicht der Einzige, der im vergangenen Jahr gehen musste. Auch »Focus« und »Stern« tauschten ihre Blattmacher aus. Eine Zusammenfassung der drei wichtigsten Chefredakteurs-Entlassungen in Deutschland.

Immerhin: Er hat etwas über ein Jahr durchgehalten. Büchner wurde im September 2013 Chefredakteur beim »Spiegel« und war der Erste, der auch gleichzeitig über »Spiegel Online« herrschen durfte. Während er beim Online-Ableger des Nachrichtenmagazins äußerst beliebt war, sahen ihn seine Print-Kollegen zunehmend kritischer.

»Spiegel 3.0« von Beginn an zum Scheitern verurteilt

Das hatte sicher auch mit seinem selbst verordneten Kurs zu tun. Der einstige DPA-Chef war angetreten, um »Spiegel« und »Spiegel Online« miteinander zu verschmelzen – »Spiegel 3.0« hieß sein großes Projekt. Künftig sollten alle Redakteure sowohl für den Online- als auch für den Print-Bereich zuständig sein.

Doch das Projekt war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Die Print-Redakteure dachten zum einen erst gar nicht daran, ihre lieb gewordenen Privilegien aufzugeben, schon gar nicht zugunsten von verhassten Onlinern. Im Gegensatz zu diesen sind sie nämlich prozentual am Umsatz des Unternehmens beteiligt. Über 50 Prozent der Anteile am »Spiegel-Verlag« gehören der sogenannten »Mitarbeiter KG«.

Zum anderen hat Büchner sich auch selbst Steine in den Weg gelegt. Statt zu versuchen, die Verschmelzung geschickt im Einvernehmen mit Onlinern und Printlern voranzutreiben, versuchte er es lieber mit der Brechstange. So ließ er alle Ressortleiter-Stellen neu ausschreiben, ohne mit den bisherigen Leitern hierüber zunächst zu reden.

Die Print-Redakteure warfen ihm daraufhin vor, dass er sich nur unliebsamer Ressortleiter entledigen wolle, und probten den Aufstand. Über 80 Prozent von ihnen unterzeichneten eine »Resolution«, die gegen Büchners Zukunftspläne gerichtet war. Zwar sprang dem einstigen DPA-Chefredakteur noch der Verlagsgeschäftsführer Ove Sassen bei, doch auch dies half letztlich nichts. Nach weiteren Petitionen der Printler wurde am 4. Dezember das Aus von Büchner verkündet – »in gegenseitigem Einverständnis«, wie es in solchen Fällen stets heißt.

Weichert: »Zweiklassengesellschaft beim ›Spiegel‹«

Zukünftig gibt es beim »Spiegel« wieder eine Doppelspitze: Der bisherige Vize-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer wird neuer Chef des gedruckten »Spiegel«, Florian Harms wird Chefredakteur von »Spiegel Online«. Damit ist das Ziel der Verschmelzung der beiden Bereiche vorerst gescheitert.

Für den Hamburger Journalistik-Professor Dr. Stephan Weichert ist die Marke »Spiegel« hierdurch auf lange Sicht hin beschädigt, wie er dem NDR-Magazin »ZAPP« sagte. Vielen sei nicht klar, »was da jetzt in Zukunft passiere«. Bereits zuvor habe es mehrere Wechsel an der Chefredakteurs-Spitze gegeben, was dem Haus geschadet habe. Nun sei »ein neuer Schaden« hinzugekommen, wobei die Print-Fraktion als Sieger aus dem Machtkampf hervorgegangen sei.

Einen weiteren Grund für die vielen Wechsel an der Spitze sieht der Journalistik-Professor auch in der starken Überalterung in deutschen Redaktionen. Viele Print-Redakteure, die vielleicht Mitte 50 seien, wollten sich »in ihren letzten 10 Jahren vor der Rente« nicht noch mal umstellen und Online-Journalismus lernen. »Print geht es vielleicht noch nicht schlecht genug, um zu verstehen, dass die Zukunft im Digitalen stattfindet«, sagt Weichert.

Solides Handwerk ist nicht gut genug

Wie sehr die Verlage auch heute noch auf den Print-Bereich fokussiert sind, zeigen auch zwei weitere Beispiele aus dem vergangenen Jahr. So musste Ende August der »Focus«-Chefredakteur Jörg Quoos seine Koffer packen. Zwar hieß es in der Pressemitteilung, dass dessen Nachfolger Ulrich Reitz »beste Bedingungen« vorfinde, doch war es ein offenes Geheimnis, dass Quoos wegen der schlechten Auflagenzahlen den Posten räumen musste.

Dabei bescheinigen Branchenkenner Quoos eine gute, solide Arbeit beim »Focus«. Er sei zwar kein Charismatiker oder Visionär, aber ein ehrlicher Handwerker, heißt es etwa bei Meedia. Es falle »einem beim besten Willen nichts ein, was ein Ulrich Reitz besser machen sollte als ein Jörg Quoos«.

Wie sehr der ehemalige »BILD«-Mann Quoos das journalistische Handwerk beherrschte, zeigen auch die Geschichten, die der »Focus« unter seiner Leitung brachte. Gleich zu Beginn des Jahres 2013 enthüllte der »Focus« die Steueraffäre um Uli Hoeneß und nur kurze Zeit später machte der Kunstschatz des Cornelius Gurlitt international Schlagzeilen. Und im Gegensatz zu Büchner genoss Quoos auch das Vertrauen der Mitarbeiter.

Doch all das nutzte ihm nichts, denn im Mittelpunkt stand der Auflagenschwund des Magazins aus dem »Burda«-Verlag. Bei Meedia heißt es, dass es deshalb intern zu immer größeren Unstimmigkeiten gekommen sei. Am Ende verlor die Verlagsspitze dann offensichtlich die Nerven und Quoos musste seinen Hut nehmen.

Der dritte Streich

Wenn schon »Focus« und »Spiegel« Chefredakteure en masse verschleißen, möchte man beim »Stern« offenbar dem in nichts nachstehen. So könnte man die dritte Entlassung des Jahres 2014 deuten. Dabei kam das Aushängeschild des Verlags »Gruner + Jahr« den beiden diesmal sogar zuvor. Knapp zwei Wochen vor der Entlassung des »Focus«-Chefredakteurs musste Dominik Wichmann beim »Stern« aufhören. Auf ihn folgte ab 1. Oktober Christian Krug, der bis dahin an der Spitze der »Gala« stand.

Warum hat es also auch Wichmann erwischt? Glaubt man den Aussagen von »G+J« CEO Julia Jäkel, dann hat Wichmann »wichtige Impulse gesetzt und im Frühjahr des letzten Jahres einen umfassenden Veränderungsprozess des ›Stern‹ in Print und Digital eingeleitet«. Da sind sie also wieder: die Veränderungen, die die Verschmelzung von Print und Online mit sich bringen. Wie Büchner hatte auch Wichmann intern in der Redaktion deswegen Probleme. Und ähnlich wie »Spiegel«-Chef Joffe stand auch die »G+J«-Chefin lange hinter ihrem Blattmacher. Allein: Am Ende hat es beiden nichts genützt und die Mitarbeiter haben sich durchgesetzt.

Abgang nach einem Vierteljahrhundert

Übrigens: Nicht nur in Deutschland kommt es zur großen Chefredakteurs-Rochade. Auch in England werden fleißig die Spitzen ausgetauscht. Zuletzt erwischte es Matthew Winkler bei der traditionellen Wochenzeitung »The Economist«. Immerhin hat er es geschafft, über 25 Jahre dort an der Spitze zu stehen und auch die Verkaufszahlen entwickelten sich in letzter Zeit prächtig.

Aber bei der Masse, die deutsche Magazine an Chefredakteuren verschleißen, liegt das Problem vielleicht auch gar nicht an den jeweiligen Blattmachern, sondern ganz woanders. Darüber sollten auch einmal die Verlagschefs nachdenken.