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Branchen-News | 16. Juli 2015
Die Werbekrise in den Medien: Niedrigere Einnahmen trotz größerem Medienkonsum

Wieder einmal steht die Rettung des Online-Journalismus kurz bevor: Die Journalisten und Analysten überschlagen sich mit Meldungen. Twitter erlebt einen Ausbruch der Gefühle. Und selbst die Börsianer jauchzen fröhlich: Facebook hat seinen neuen Service »Instant Articles« angekündigt.

Unter »Instant Articles« will der amerikanische Konzern künftig journalistische Artikel von Medienpartnern veröffentlichen. Als erste Publisher zum Launch präsentierte Facebook unter die »New York Times«, »National Geographic«, die »BBC« und den englischen »Guardian«, in Deutschland beteiligen sich »Bild« und »Spiegel Online«. Zwar konnten bisher auch schon Artikel auf den entsprechenden Facebook-Seiten veröffentlicht werden. Doch die Formatierungsoptionen waren begrenzt und meist gab es nur einen kurzen Teaser, der dann auf eine externe Website führte.

Mit »Instant Articles« soll das alles anders werden: Das Abrufen der Inhalte soll zehnmal schneller erfolgen als bisher. Dabei setzt das soziale Netzwerk vor allem auf die mobilen User. Für sie ist das Portal optimiert und Facebook garantiert den Verlagen, dass die Reportagen, Berichte und Artikel auf jedem Endgerät gut aussehen.

Wachstumsmarkt Mobilgeräte

Die Fixierung auf Smartphones und Tablets hat einen einfachen Grund: Während früher am Frühstückstisch die Tageszeitung gelesen wurde, gibt es seit Ende der 1990er Jahre den Journalismus im Internet. Online-Portale der Verlage entstanden und boten dort – kostenlos – die aktuellen Nachrichten, Hintergründe sowie große Erzählstücke. Inzwischen surfen die Leser aber nicht mehr vorrangig mit dem PC, sondern mit allerhand mobilen Geräten, die immer leistungsfähiger werden.

Nach einer Studie von »Millward Brown AdReaction« aus dem vergangenen Jahr verbringen die Deutschen täglich im Schnitt mehr als zwei Stunden mit dem Smartphone und etwa eine halbe Stunde mit dem Tablet. Hinzu kommen noch zwei Stunden vor dem Fernseher und etwas mehr als eine halbe Stunde wird der PC genutzt.

Dabei liegt Deutschland bei der Nutzung der mobilen Geräte gerade einmal im Mittelfeld. Spitzenreiter sind die Asiaten. So wird zum Beispiel in Indonesien täglich über drei Stunden auf dem Smartphone gesurft. Die indonesische Regierung denkt deshalb sogar gerade darüber nach, Handys für Kinder ganz zu verbieten. Die Tablet-Nutzung kommt dort auf immerhin noch fast zwei Stunden Nutzung pro Tag.

Kein Wunder also, dass Facebook gerade diese Zielgruppe im Auge hat. Über 1,2 Milliarden Menschen nutzen das soziale Netzwerk schon heute auf dem Handy. Die Verlage erhoffen sich deshalb, endlich verstärkt auch junge Leute ansprechen zu können. So sagte etwa die Geschäftsführerin von »Spiegel Online«, Katharina Borchert, dass mit »Instant Articles« neue Umsatzquellen erschlossen werden sollen. Gleichzeitig wolle man »eine großartige mobile Leseerfahrung« schaffen und »ein neues Publikum für unseren Qualitätsjournalismus« erreichen.

Immer mehr Mediennutzung

Tatsächlich hat die Mediennutzung insgesamt im Vergleich zu früher stark zugenommen. Zwar reduzierte sich die Anzahl der verkauften Tageszeitungen von 1991 bis 2015 um über 10 Millionen Exemplare täglich. Doch sowohl die Nutzung des Radios als auch des Fernsehers blieb entweder auf vergleichbarem hohem Niveau oder legte sogar noch etwas zu. Und die Mediennutzung im Internet ist gerade auf den mobilen Geräten mittlerweile explodiert.

Dennoch konnten die Verlage und Medien von diesem eigentlich positivem Trend nicht profitieren. Häufig beklagen sie, dass die Leser im Internet nicht dazu bereit seien, für qualitativ hochwertige Inhalte zu bezahlen. Das mag durchaus zutreffend sein und trotzdem hat die fortdauernde Krise eine andere Ursache: Missmanagement.

Niedrige Werbeeinnahmen trotz hohem Leserinteresse

Eine Studie der Risikokapitalgeberin Mary Meeker zeigt, wie sehr Anzeigenerlöse und Leserinteresse voneinander abweichen. So verbringen die Befragten nur etwa vier Prozent ihrer Zeit mit dem Lesen von Zeitungen. Von den gesamten Werbeeinnahmen gehen aber über 18 Prozent an Tageszeitungen. Während Leserinteresse und Werbeeinnahmen bei Radio, Fernsehen und Internet noch in etwa ausgeglichen sind, sieht es bei der mobilen Nutzung genau umgekehrt aus: Die Nutzer verbringen knapp ein Viertel ihrer Zeit mit Smartphones oder Tablets, doch die Werbeeinnahmen belaufen sich auf mickrige acht Prozent am Gesamtwerbeumsatz.

Zwar wurde diese Studie nur für die USA erstellt, in Deutschland dürften die Zahlen aber ähnlich sein. Dabei sanken bereits allein hierzulande die Werbeumsätze für Printmedien seit 2003 von 4,3 Milliarden Euro auf 2,65 Milliarden Euro. Trotzdem sehen viele Verleger hierin noch immer ihre Melkkuh – im Internet gäbe es schließlich nichts zu verdienen.

»Heddesheimblog« und andere hyperlokale Blogs sterben

Dabei müssten die Verlage angesichts dieser Zahlen eigentlich frohlocken: Wenn immer mehr Menschen ihre Nachrichten nur noch online lesen, besteht auch ein verstärktes Interesse, dort Werbung zu schalten. Zudem hat Internet-Werbung gegenüber klassischer Printwerbung ein Alleinstellungsmerkmal: Die Vorlieben und Interessen des einzelnen Website-Besuchers lassen sich genau ermitteln. Individuelle Werbung wird so möglich. Hierdurch sollten deutlich höhere Werbeeinnahmen zu erzielen sein.Doch die Verlage haben das werbefinanzierte Geschäftsmodell scheinbar schon aufgegeben. Stattdessen wird in Deutschland noch immer auf Bezahlinhalte gesetzt, obwohl diese in anderen Ländern bereits gescheitert sind. Zuletzt hat auch »Süddeutsche.de« eine eingeschränkte Paywall gestartet, hinter der ausgewählte Onlineartikel sowie die Printausgabe abrufbar sind.Selbst hoch geschätzte Projekte wie etwa der »hyperlokale Journalismus« stehen inzwischen auf der Kippe. Bereits im vergangenen Jahr stellte Hardy Prothmann sein »Heddesheimblog« ein, nachdem er nicht genügend Abonnenten gewinnen konnte. Im Mai 2015 konnten die »Prenzlauer Berg Nachrichten« im Rahmen eines Crowdfundings gerade noch rechtzeitig 750 Leser-Abos verkaufen und vorerst gerettet werden. Und bei »HH Mittendrin« beuten sich die Mitarbeiter noch immer selbst aus.

Die Karawane zieht weiter

Die Medienmacher versuchen also verzweifelt, eine neue Zielgruppe zu gewinnen, um mehr Werbeeinnahmen zu generieren. Doch ob dieses neue Publikum tatsächlich noch dort ist, wo die Verlage und Facebook vermuten, darf zumindest bezweifelt werden.

Zwar erklärt »Bild Online«-Chef Julian Reichelt, fast 30 Millionen Menschen in Deutschland erlebten ihren digitalen Alltag auf Facebook. Diese Zahl umfasst jedoch lediglich die Gesamtzahl der aktiven deutschen Facebook-Accounts. Wie diejenigen das soziale Netzwerk aber tatsächlich nutzen, ist eine ganz andere Frage. So sind viele junge Leute heute nicht mehr direkt auf Facebook selbst unterwegs, sondern benutzen beispielsweise »Instagram«. Die entsprechenden Bilder werden dann bei Facebook über die »Share-Funktion« lediglich zweitverwertet, die eigentliche Kommunikation findet hingegen auf »Instagram« statt.

Facebook hat hier zweifelsfrei den Vorteil, vor einiger Zeit »Instagram« gekauft zu haben und kann »Instant Articles« möglicherweise auch in dieses Portal integrieren. Doch das Online-Geschäft ist schnelllebig, neue Angebote sprießen geradezu wie Pilze aus dem Boden. Das erkennt man schon daran, dass etwa »Whatsapp« oder »Snapchat« dem Messenger von Facebook mittlerweile den Rang abgelaufen haben.

Geretteter Journalismus?

Immerhin: Facebook hat angekündigt, die Verlage an den Werbeeinnahmen prozentual zu beteiligen. Wenn die Medienpartner News und andere Inhalte direkt auf Facebook veröffentlichen, bekommen sie die Werbeeinnahmen der News-Ads komplett. Und inzwischen hat sogar die »Bild« endlich den ersten Artikel im neu geschaffenen Portal veröffentlicht.

Am 8. Juni 2015 schließlich hat auch Apple seinen neuen Nachrichtenaggregator »Apple News« angekündigt. Und wieder jubeln sie alle: in den Verlagen, auf dem Börsenparkett und in den sozialen Netzwerken. Der Online-Journalismus ist gerettet. Wieder einmal.