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Medienpolitik | 08. Oktober 2015
Blogger gegen Journalisten: Und täglich grüßt das Murmeltier

Und plötzlich war sie wieder da: die leidige Diskussion, ob Blogger überhaupt Journalisten sind. Aufgemacht hatte das Fass die »FAZ« und zwar ausgerechnet in der Landesverratsdebatte um »Netzpolitik.org«.

Größter Angriff auf die Pressefreiheit seit der Spiegel-Affäre

Wir erinnern uns: Ende Juli wurde bekannt, dass der Generalbundesanwalt gegen Andre Meister und Markus Beckedahl wegen des Verdachts des Landesverrats ermittelt. Die beiden Blogger betreiben das Online-Portal Netzpolitik.org. Hintergrund für die Ermittlungen war, dass das Blog am 25. Februar und am 15. April zwei Artikel über den Verfassungsschutz veröffentlichte, in denen aus Interna zitiert wurde. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sah darin eine Straftat und erstattete Anzeige.

Am 30. Juli wurden die Blogger dann darüber informiert, dass sich die Ermittlungen nicht – wie bisher von Netzpolitik.org angenommen – allein gegen die Informanten des Portals richteten, sondern auch gegen die Blogger selbst. Es folgte die vermutlich größte Aufregung in der Medienbranche seit der Spiegel-Affäre im Jahr 1963.

Fast alle deutschen Medien zeigten sich solidarisch mit Meister und Beckedahl. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass die Pressefreiheit im Grundgesetz umfänglich geschützt ist. Und selbst die Generalbundesanwaltschaft schloss sich dieser Meinung an: Am 10. August stellte sie das Verfahren gegen Meister und Beckedahl offiziell ein. Als Grund nannte der Generalbundesanwalt auch, dass die beiden Angeschuldigten den Schutz der Pressefreiheit genössen.

FAZ: Gute, schlechte oder keine Journalisten?

Hier könnte die Geschichte eigentlich schon zu Ende sein: Wenn Blogger journalistisch arbeiten, sind sie (auch) Journalisten. Doch die FAZ mochte sich dieser simplen Regel nicht anschließen. Bereits am 4. August polterte Reinhard Müller: »Wenn man daraus aber den Schluss zieht, dass sich jeder selbst ernannte Blogwart auf die Pressefreiheit berufen kann ...«

Nur einen Tag später legte Politik-Redakteur Stefan Tomik nach und behauptete, die Netzpolitik.org-Autoren seien in Wahrheit eher Lobbyisten als Journalisten. Tomik führte weiter aus, dass die Blogger eine »eigene politische Agenda« verfolgten und Widerstand gegen Gesetzesvorhaben organisierten. Und wiederum einige Tage später widmete sich die FAZ umfänglich dem Redaktionsmaskottchen von Netzpolitik.org.

Die Botschaft war klar: Die Pressefreiheit sollte für Netzpolitik.org nicht gelten. Unterstrichen wurde diese Haltung noch, indem die Zeitung mit Begriffen wie »Internetdienst« hantierte, wie Mikael in den Fahrt herausarbeitete. Das sollte suggerieren, dass es sich bei dem, was auf Netzpolitik.org publiziert wird, auf keinen Fall um »richtigen Journalismus« handelt.

Was die FAZ nicht verstand

Im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft verstand die FAZ also offenbar nicht, wie das eigentlich genau mit der in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerten Pressefreiheit funktioniert. Ohne Begründung sprach die FAZ Meister und Beckedahl ein Grundrecht ab, weil deren Art von Berichterstattung wohl nicht kompatibel zu dem war, was die »Frankfurter Allgemeine« als Journalismus bezeichnet.

Es hatte fast den Anschein, als sei Journalismus eine exklusive Veranstaltung, zur der nicht jeder Zutritt erhalten soll. Wo die FAZ die Grenze ziehen möchte, erklärten Tomik und Müller freilich nicht.

Aber diese Abgrenzung ist nicht neu: Jahrelang kämpften Blogger darum, ernst genommen zu werden. Seit etwa drei bis vier Jahren hat sich jedoch rumgesprochen, dass Bloggen durchaus guten Journalismus hervorbringen kann.

Denn das Bloggen ist ja nur eine andere Form der Kommunikation: Meist eher subjektiv geprägt und oft mit einer eigenen Haltung – eben echter Meinungsjournalismus. Das bedeutet nicht, dass jeder Blogger automatisch Journalist ist. Aber genauso wenig bedeutet es, dass Blogger nie Journalisten sind. Am Ende kommt es allein darauf an, ob jemand journalistisch arbeitet. Und dann sollten ihm auch alle Rechte eines Journalisten zugestanden werden.

Wenn Journalisten bloggen: Das Projekt »Burgenblogger«

Natürlich muss dieser Blogger dann nicht zwangsläufig auch ein guter Journalist sein. Aber umgekehrt ist es ebenfalls nicht viel leichter: Wer Journalist ist, muss kein guter Blogger sein. Das zeigt das Beispiel des »Burgenbloggers«.

Mit viel Aufwand hat die »Rhein-Zeitung« im vergangenen Jahr den sogenannten »Burgenblogger« gesucht. Dieser sollte ein halbes Jahr auf der Burg Sooneck wohnen und über das Mittelrheintal berichten. Angedacht war dabei ein größerer Bericht pro Woche. Zudem sollte der ausgewählte Blogger Tagebuch führen und seine Eindrücke schildern. In der Berichterstattung selbst sollte er zudem alle journalistischen Freiheiten genießen. Als Aufwandsentschädigung wurden 2000 Euro pro Monat festgelegt.

Die »Rhein-Zeitung« wollte mit dem »Burgenblogger« aber nicht nur Marketing in eigener Sache machen, sondern zusammen mit ihren Projektpartnern auch den Tourismus und damit die Wirtschaft in der Region fördern. Kein Wunder also, dass die Leser häufig selbst aus diesem Dunstkreis kamen.

Das Projekt erhielt starke Resonanz und viele Blogger bewarben sich. Fast alle Bewerbungen waren öffentlich zugänglich und jeder konnte sich ein Bild von den unterschiedlichen Kandidaten machen. Am Ende fand sogar ein echtes Casting statt – ein Hauch von »Deutschland sucht den Superstar«.

Jessica Schober als erste »Burgenbloggerin«

Schließlich schaffte es die freie Journalisten Jessica Schober als »Burgenbloggerin« auf die Burg. Die 27-Jährige machte sich bereits mit ihrem Projekt »Wortwalz« einen Namen. Dabei reiste sie – ganz im Stil anderer Handwerksgesellen – über mehrere Monate durchs Land und heuerte in Lokalzeitungsredaktionen an. Der Journalismus war ihr Handwerk. Und das hatte sie zuvor gründlich gelernt: an der Deutschen Journalistenschule in München.

Beste Voraussetzungen also, um als Burgenbloggerin durchzustarten? Immerhin geht es bei diesem Projekt ebenfalls um Lokaljournalismus, wenn auch nicht im klassischen Sinne. Am Anfang waren noch alle zufrieden: Schober lieferte sehr solide Arbeit und ihre Texte wurden von den Kommentatoren gelobt. Doch mit der Zeit änderte sich die Stimmung. Am 26. August gab Schober schließlich enttäuscht auf und verließ die Burg.

Zu sehr Journalistin, zu wenig Bloggerin

Dabei schaffte die »Burgenbloggerin« bereits zu Beginn einen echten Coup, als sie ein Interview mit dem Welterbe-Beauftragten des Landes Rheinland-Pfalz führte. Darin ließ sich Walter Schuhmacher (SPD) zu der Aussage hinreißen, die Loreley sei »relativ siffig«. Die Aufregung im Mittelrheintal war riesig, das »#Siffgate« war geboren. Am Ende forderte die CDU gar den Rücktritt Schuhmachers.

Wer als Journalist in seiner ersten Arbeitswoche für solch eine politische Aufregung verantwortlich ist, hat normalerweise eine glänzende Zukunft vor sich. Tatsächlich wuchs mit der Zeit aber die Kritik an Schober. Einige warfen ihr vor, sie erfülle die Rolle der »Burgenbloggerin« nicht richtig. Andere wiederum meinten, sie sei zu sehr Journalistin und zu wenig Bloggerin.

Tatsächlich waren die Beiträge von Schober oft mehr objektive Berichterstattung als subjektive Meinung. Richtig mag auch sein, dass sie teilweise nicht das eingehalten hat, was sich viele von dem Projekt erhofften: eine große Werbeplattform für das Mittelrheintal. Und einige mögen auch mit Recht kritisiert haben, dass Jessica Schober nicht regelmäßig genug bloggte und sich aus Diskussionen in den sozialen Medien weitgehend raushielt.

Nicht jeder Blog ist gleich

Aber zwingend ist diese Kritik nicht: Zwar gehen Blogger in der Regel mehr auf die eigenen Leser ein und oft findet ein Austausch statt. Die Beteiligung per Kommentar muss hierzu aber nicht gehören. So hat eines der bekanntesten deutschen Blogs, das Bildblog, überhaupt keine Kommentarfunktion. Niemand käme aber ernsthaft auf die Idee, dem von den Medienjournalisten Stefan Niggemeier und Christoph Schultheis gegründeten Portal die Blog-Eigenschaft abzusprechen.

Wahrscheinlicher ist es, dass Schober das Projekt irgendwann über den Kopf hinausgewachsen ist. Vielleicht hat sie mit einem solchen Andrang nicht wirklich gerechnet. Und auch die teilweise sehr persönliche Kritik an ihrer Person war sicherlich kein Ansporn, um besonders viel Energie in das Burgenblogn zu investieren – zumal die Aufwandsentschädigung von 2000 Euro monatlich nicht gerade üppig ist.

Was bleibt

Die Beispiele zeigen, dass es gute und weniger gute Blogger gibt. Und es gibt gute und weniger gute Journalisten. Wenn jemand eine journalistische Ausbildung genossen hat, bedeutet das nicht, dass er automatisch auch ein hervorragender Blogger ist. Und einige der besten Journalisten dieses Landes waren sogar niemals an einer Journalistenschule oder haben ein Volontariat absolviert.

Nur eines ist sicher: Die Debatte, ob Blogger denn Journalisten sind, sollte endlich einmal abgehakt werden. Wichtig ist nicht die Bezeichnung, sondern das Ergebnis der Arbeit.