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Branchen-News | 15. April 2015
Alles Werbung oder was?

Am Karfreitag zeigte die ARD den Spielfilm Grzimek, der das Leben des gleichnamigen Moderators und Filmemachers erzählt. Während in den Feuilletons die schauspielerische Leistung von Hauptdarsteller Ulrich Tukur im Vordergrund stand, kam in den sozialen Netzwerken ein anderes Thema auf: Schleichwerbung.

Stein des Anstoßes waren die vielen Szenen, in denen im Film geraucht wurde. Schnell wurde auf Twitter die Frage diskutiert, welches Tabakunternehmen wohl die Produktion »gesponsort« habe. Dagmar Andres-Brümmer erklärt auf Nachfrage, dass Bernhard Grzimek in der Tat ein starker Raucher gewesen sei. Er habe sogar irgendwann einmal eine Wette laufen gehabt, wonach es ihm 50 DM kosten sollte, wenn er in der Öffentlichkeit beim Rauchen erwischt würde. Und Ulrich Tukur stellte in einem Interview mit dem »Hamburger Abendblatt« klar, dass seiner Meinung nach im Film wirklich zu viel geraucht werde: »Aber es war damals einfach so. Und Bernhard und Hildegard waren Kettenraucher.« Ein Fall von Schleichwerbung scheidet demnach also aus.

Product-Placements im Fernsehen und Kino

Tatsächlich sind aber sogenannte Product-Placements im Fernsehen heute allgegenwärtig. Kaum eine amerikanische Serie, in der nicht Notebooks, Smartphones, Tablets und andere Produkte gegen Bezahlung gezeigt werden. Während deutsche Produzenten noch immer Herstellerlogos überkleben oder sogar aufwendig umgestalten lassen, wird bei ausländischen Produktionen aus dem Vollen geschöpft. So fährt James Bond ganz selbstverständlich einen Aston Martin. 45 Millionen US-Dollar sollen die Werbeverträge etwa beim 23. Bond-Film »Skyfall« eingebracht haben. Wer glaubt, dies sei eine riesige Summe, irrt: Sie liegt deutlich unter den Werbeerträgen bei »Casino Royal« und »Ein Quantum Trost«. Dort kamen jeweils knapp 100 Millionen US-Dollar zustande.

Oft werden die Produkte nicht nur gezeigt, sondern sogar aktiv in die Handlung mit eingebunden. So wird James Bond bei »Casino Royal« gefragt, ob er denn eine Rolex trage, worauf er antwortet: »Nein, eine Omega.« Auch bei »Skyfall« wurde besagte Uhr bereits vor dem Vorspann für mehrere Sekunden eingeblendet. Kritiker in Großbritannien sprechen angesichts der hohen Anzahl an Produktplatzierungen inzwischen schon von »James Brand«. Dabei nimmt die Kritik teilweise skurrile Ausmaße an: So sei das vom Protagonisten getrunkene »Heineken« keinesfalls »Bond-würdig«, wie ein Blogger für die britische Zeitung »Independent« schreibt.

Schleichwerbung auf allen Kanälen

Auch in Deutschland werden Product-Placements im Fernsehen meist kritisch betrachtet. Das gilt aber nicht nur bei Serien oder Spielfilme, sondern auch bei Sport-Veranstaltungen und Unterhaltungsshows. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür sind die Sendungen von Stefan Raab. Schon 2008 stellte das Verwaltungsgericht Berlin fest, dass im Rahmen der »TV Total Wok WM« in den Jahren 2006 und 2007 gegen das Verbot der Schleichwerbung verstoßen wurde. Anders als Pro Sieben meinte, sei die Veranstaltung schon kein normales Sportereignis, da sie nur für die Fernsehübertragung stattfinde. Seitdem wird bei der Ausstrahlung der »Wok WM« der Hinweis »Dauerwerbesendung« eingeblendet.

Selbst die einstige deutsche Vorzeigesamstagabendshow »Wetten dass« erlebte Schleichwerbungsvorwürfe: Bereits 2013 berichtete der »Spiegel«, dass die vom Bruder des TV-Urgesteins Thomas Gottschalk gegründete Firma »Dolce Media« seit mehreren Jahren Produktplatzierungen für die Sendung verkaufe. So sei im Jahr 2003 ein Vertrag mit DaimlerChrysler geschlossen worden, darüber hinaus hätten auch Werbeverträge mit Solarworld und ab 2007 mit Audi bestanden. Während der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) die Werbung kritisierte, erklärte der Sender, dass er »keine Verstöße gegen für das ZDF geltende Rechtsvorschriften festgestellt« habe. Die Zusammenarbeit mit »Dolce Media« sei jedoch beendet worden. Zudem habe man die Regeln für Gewinnspiele verschärft.

Acht Jahre zuvor deckte der damalige Investigativ-Journalist Volker Lilienthal Schleichwerbung bei der ARD-Vorabendserie »Marienhof« auf. Über 10 Jahre lang habe es massiv Produktplatzierungen gegeben, ohne dass dies kenntlich gemacht worden sei. Die Werbepartner hätten direkten Zugriff auf Inhalte, Handlungen und Dialoge der Serie bekommen – ein bis dahin wohl einmaliger Vorgang in Deutschland.

Wo Product-Placements sogar gefeiert werden

Während der öffentliche Aufschrei bei »Marienhof«, »Wetten dass« oder »TV Total« groß war, gibt es auch einen Ort, wo Schleichwerbung und Product-Placements offenbar toleriert werden: YouTube. Als im Sommer des vergangenen Jahres »Report Mainz« berichtete, dass in den Videos des bekannten Komikertrios »Y-Titty« sogenannte »integrierte Werbung« enthalten ist, gab es vonseiten der Nutzer nur wenig Kritik.

In vielen Onlineforen wurde stattdessen geäußert, dass das Schleichwerbungsverbot aus einer anderen Zeit stamme, in der die »Medienkonsumenten als allesamt dumm« eingeschätzt wurden. Dies sei heute im Internet anders. Zudem störe diese Art der Werbung überhaupt niemanden. Und schließlich hätten es die YouTuber auch verdient, etwas Geld einzunehmen. Kurzum: Es wurde so getan, als sei dies alles kein Problem.

Die Landesmedienanstalten sahen das jedoch anders. So erklärte Jürgen Brautmeier gegenüber »Report Mainz«: »Wenn da Absicht dahintersteht und auch Geld fließt und ein Auftrag erteilt wird, dieses Produkt zu zeigen, das ist Schleichwerbung. So ist es auch bei den YouTube-Videos, die wir uns angesehen haben.« Der Anwalt von »Y-Titty« wies die Vorwürfe ebenso zurück wie der Vermarkter »Mediakraft«, bei denen das Trio unter Vertrag steht. Ein Sprecher erklärte, dass der gesetzliche Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten eingehalten werde.

Vollkommen verpönt: Werbung in Blogs

Doch wer glaubt, dass überall im Internet scheinbar so souverän mit Werbung umgegangen wird, irrt. Anders als für YouTube-Stars scheinen Blogger keinen Freifahrtsschein zu besitzen, wenn es um das Thema Product-Placements geht. Als Udo Vetter vom »lawblog« etwa im Jahr 2012 ankündigte, künftig »Sponsored Posts« der Rechtschutzversicherung ARAG zu veröffentlichen, hagelte es nur so Kritik. Viele konnten den Schritt nicht nachvollziehen; oft wurde gemutmaßt, das Blog verliere nunmehr seine Unabhängigkeit. Einige wollten es in Zukunft sogar ganz meiden.

Mehr noch: Werbung ist bei Blogs meist sogar gänzlich verpönt. Im Februar veröffentlichte etwa die Lifestyle-Bloggerin Mel Buml eine Aufstellung ihrer laufenden Kosten. Sie wollte damit zeigen, wie teuer und zeitintensiv der Betrieb eines Blogs ist. So schrieb sie zutreffend, wie schwierig sie es habe: Einerseits wollten ihre Leser Transparenz, andererseits würden Kooperationen mit Unternehmen nicht geduldet.

Die Resonanz auf diesen Blogpost war riesig: Über 300 Kommentare gibt es dazu bis heute. Einige der Kommentatoren gaben der Autorin durchaus recht und schätzten es, wie offen sie darüber spreche, mit dem Blog Geld verdienen zu wollen. Mindestens genauso häufig kam aber auch der Vorwurf, dass ein Blog doch lediglich eine Freizeitbeschäftigung sei und die Gewinnabsicht nicht im Vordergrund stehen sollte. Schließlich wurden auch die von Mel Buml genannten Zahlen angezweifelt oder sogar Alternativrechnungen aufgestellt.

Die Monetarisierung des Contents

Tatsächlich haben Blogger so die gleichen Probleme, vor denen auch klassische Medien im Internet stehen. »Sponsored Posts« kommen nicht infrage, aber mit Banner-Werbung lässt sich auch kaum etwas verdienen: Je nach Website nutzen durchschnittlich etwa 30 bis 50 Prozent der Nutzer einen Werbeblocker, sodass die Einnahmen ausbleiben. Und die so hochgelobten Bezahlschranken konnten sich bisher ebenfalls nicht durchsetzen.

Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich in den Medien heute noch immer mit Werbung umgegangen wird. Eine klare Linie scheint nicht zu herrschen. Die Fronten verlaufen irgendwo zwischen den TV- und Internet-Produzenten, Nutzern und dem Gesetzgeber. Selbst im gleichen Medium werden Werbung und Product-Placements einmal toleriert (YouTube) und einmal verteufelt (Blogger). Bevor sich die Nutzer und Content-Ersteller nicht darauf geeinigt haben, was letztlich in Ordnung ist, dürfte die Krise weitergehen.